Kastriert für 1 Jahr, ohne ein Skalpell.. wie soll denn das funktionieren?

Die Kastration eines Tieres beschäftigt Tierbesitzer immer wieder. Vorteile und Nachteile werden heiß ausdiskutiert. Welche weiteren Möglichkeiten es gibt, einem Tier im hormonellen Stress Hilfe zu leisten, ist vielen Besitzern nicht bekannt.

Nach § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 lit. a des Tierschutzgesetztes, ist in Deutschland die Kastration eines Tieres nur mit medizinischer Indikation erlaubt. Darunter versteht man Gründe (wie z.B. Tumore, andauernder Präputialkatarrh, eine Pyometra, starke Verhaltensänderungen die hormonell bedingt sind..), die die Entnahme der Fortpflanzungsorgane rechtfertigen und- oder als sinnvoll erachten lassen.

Viele Rüden leiden stetig oder phasenweise unter starkem hormonellen Stress, wenn Sie z.B. in der Pubertät eine hormonelle Umstellung durchleben oder sobald sie läufige Hündinnen in Ihrer Umgebung wahr nehmen. Dieser Dauerzustand der psychischen und physischen Erregung führt oft dazu, dass die Rüden ihr Futter verweigern, eine erhöhte Aggression anderen Hunden gegenüber zeigen, weg laufen und nicht mehr abrufbar sind, dauernd wimmern, Gegenstände berammeln, Schaum vor dem Mund bilden, viel belecken oder sogar in gewisse Depressionen fallen. An dieser Stelle ist es sehr wichtig klar selektieren zu können, ob der Hund ein hormonelles Problem hat, oder sein Verhalten ein Resultat mangelnder Erziehung oder Beschäftigung ist.

Hier möchten wir auf unseren Patienten Karl eingehen, der genau diese Problematik zeigte.

Karl ist ein intelligenter und sehr gut erzogener Dackel. Phasenweise leidet er jedoch stark unter hormonellem Einfluss. Karls Verhalten äußert sich in diesem Falle ausschließlich phasenweise in großen Abständen, sodass eine chirurgische Kastration nicht von Nöten ist und Karls Besitzer ihm in dieser Zeit Abhilfe durch eine chemische Kastration, den sogenannten Suprelorin- Chip schaffen können. Dieser sogenannte Kastrationschip, ist ein hormonelles Implantat, das Deslorelin enthält , ein Wirkstoff der über die Dauer von sechs bis zwölf Monaten kontinuierlich an den Organismus abgegeben wird.

Der Wirkstoff Deslorelin ähnelt dem körpereigenen Hormon GnRH (Gonadotropin-ReleasingHormon).
Das Hormon GnRH wird normalerweise in Intervallen ausgeschüttet und sorgt dafür, dass
aus der Hypophyse, einer Drüse im Gehirn, Botenhormone ins Blut abgegeben werden.
Diese wiederum steuern im Hoden die Bildung von Geschlechtshormonen (v.a. Testosteron). Nach Einsetzen des Chips (ohne Narkose in den Nacken unter die Haut) gibt dieser den Wirkstoff Deslorelin kontinuierlich in kleinen Mengen ab und blockiert dadurch bestimmte Rezeptoren an der Hypophyse. Der Körper
erhält so das Signal, dass ausreichend Geschlechtshormone vorhanden sind und die
Hypophyse gibt keine Botenhormone mehr ins Blut ab. Dies führt dann wiederum dazu, dass
auch die Hoden die Produktion von Geschlechtshormonen einstellen. Diese Wirkung tritt nach ca. 3-6 Wochen nach Einsetzten des Implantates ein. Ohne diese Geschlechtshormone werden auch keine Spermien gebildet, die Hoden sind gewissermaßen
„abgeschaltet“ und der Rüde ist vorübergehend zeugungsunfähig. Sobald die Menge Deslorelin aufgebraucht ist, wird der Rüde wieder zeugungsfähig.

So ist die chemische Kastration ebenfalls eine Möglichkeit ihr Tier ,,auf Probe“ zu kastrieren und einen Rüden auf Dauer nicht komplett unfruchtbar zu machen, falls er noch in der Zucht eingesetzt werden soll.

Ein weiterer Vorteil dieses Vorgehens ist, dass im Falle einer Entscheidung zur chirurgischen Kastration, die Hoden durch den Chip stark verkleinert sind und so die Operation weniger invasiv wird, da nur eine kleinere Hauteröffnung von Nöten ist.

Bei weiteren Fragen zum Verfahren der chemischen Kastration, wenden Sie sich gerne an uns.

Lieber Karl, wir hoffen, dass die Wirkung des Chips schnell einsetzt und du schon bald wieder ganz entspannt mit deinen Besitzern spazieren und zu unserer Physiotherapie kommen kannst- bis dahin kleiner Schatz!